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Wie die EU Smartphones und Tablets nachhaltiger machen will
Allgemein In Zeiten, in denen Smartphones nicht mehr mit Innovationen glänzen, schwingt sich die EU zum großen Erneuerer auf – mit Auswirkungen auf Hersteller und Nutzer.



Etwas schnellere Prozessoren, bessere Kameras und flotter ladende Akkus: Die Smartphonehersteller verbessern ihre Geräte seit Jahren vornehmlich im Detail. Große Sprünge zwischen einzelnen Generationen gehören der Vergangenheit an, doch nun schickt sich die EU an, die Branche umzukrempeln. Sie will Smartphones um eine Zutat ergänzen, die bisher kaum ein Hersteller im Rezept hatte: Nachhaltigkeit.

c't kompakt

-Smartphone- und Tablethersteller müssen ihre Geräte künftig fünf Jahre mit Updates versorgen
-Elektronik soll einfacher zu reparieren sein.
-Die geplante USB-C-Pflicht spart nach EU-Angaben 1000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr ein. Das entspricht 0,1 Prozent des jährlich in Deutschland anfallenden Elektroschrotts.


Denn den kleinen Verbesserungen zwischen den Smartphonegenerationen zum Trotz ist der Kaufreiz ungebrochen. Allein 1,4 Milliarden Smartphones haben die Hersteller nach Zahlen des Marktforschungsinstituts Gartner im Jahr 2021 abgesetzt und damit fast wieder Vor-Corona-Niveau erreicht. Für die Hersteller mag das erfreulich sein, für die Umwelt ist der enorme Ressourcenverbrauch, der damit einhergeht, eine große Belastung. Und – davon ist die EU überzeugt – oftmals wäre der Neukauf vermeidbar gewesen, hätte der Hersteller weiter Updates geliefert, günstigere Reparaturen angeboten oder Ersatzteile bereitgestellt.
Ein Ladegerät für alles

Aktuell zeigt die EU, dass sie es ernst meint mit der Regulierung der Smartphonebranche, den Zeiten der freiwilligen Vereinbarungen der Hersteller will sie ein Ende bereiten. Die gesetzliche Verpflichtung der Branche auf eine einheitliche Ladebuchse macht da nur den Anfang. Im Oktober stimmte in letzter Instanz der Rat der Europäischen Union einem Beschluss zu, den Unterhändler der EU-Staaten im Sommer mit dem EU-Parlament ausgehandelt hatten. Die Regelung gilt ab Mitte 2024 unter anderem für Smartphones, Tablets, Kameras, Kopfhörer, Spielkonsolen und Bluetooth-Lautsprecher. Für Notebooks gilt eine Übergangsfrist von 40 Monaten. Auch ist es künftig möglich, Gerät und Netzteil sowie Ladekabel separat zu kaufen. Ausgenommen sind Geräte, die zu klein für eine USB-C-Buchse sind, solche, die ausschließlich drahtlos laden und anfangs Geräte, die mit mehr als 100 Watt laden.

Einheitliche Ladebuchse und USB Power Delivery


Die EU-Kommission hat sich nicht nur auf eine einheitliche Ladebuchse geeinigt, sondern auch auf ein gemeinsames Schnellladeprotokoll: USB Power Delivery. Ausgenommen sind von dieser Regelung Geräte, die mit mehr als 100 Watt laden – obwohl das USB Implementers Forum die USB-C-Norm bereits erweitert hat, um darüber Geräte mit noch höherer Leistungsaufnahme mit bis zu 240 Watt versorgen zu können. Auf c’t-Anfrage schreibt die EU-Kommission, dass die neue Version der USB-PD-Spezifikation noch nicht in europäische Norm übersetzt sei. Die Normen würden "zu gegebener Zeit durch delegierte Rechtsakte aktualisiert". Dies nahm ausgerechnet Jeffrey L. Ravencraft, seines Zeichens Präsident und Chief Operating Officer (COO) des USB Implementers Forum (USB-IF), zum Anlass, gegen die USB-C-Pflicht zu schießen. Dass der aktuelle Entwurf eine veraltete USB-C-Spezifikation enthalte, sei ein Anhaltspunkt dafür, dass es auch bei jeder künftigen Revision aufgrund der Bürokratie zu Verzögerungen komme.

Proprietäre Ladeprotokolle sind nach Auskunft der EU-Kommission zusätzlich zu Power Delivery auch weiterhin erlaubt. Allerdings dürfen proprietäre Ladetechniken nach aktuellen Entwürfen nur eine höhere Ladeleistung als USB-PD erbringen, wenn das Gerät mehr als 100 Watt aufnehmen kann, die Grenze, die durch die derzeitige Norm festgelegt ist. Ein Smartphone, das proprietär maximal mit 150 Watt lädt, müsste per USB-PD mit 100 Watt laden. Dem Hersteller wäre es nicht erlaubt, die Power-Delivery-Ladeleistung auf beispielsweise 65 Watt zu begrenzen. "Wenn jedoch die aktualisierte Version des USB-Standards in Kraft tritt, die bis zu 240 Watt reicht, wird es diese Situation nicht mehr geben und die Hersteller müssen die volle Funktionalität von USB-PD einhalten", stellt die EU-Kommission weiter klar. Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Vorteile proprietärer Ladelösungen allein darauf zurückzuführen seien, dass deren Hersteller die Leistung des USB-PD-Ladevorgangs einschränkten.

Was die EU als Erfolg verkauft, verliert bei genauerem Hinsehen an Glanz. Zwar ist es allein aus praktischen Gründen sinnvoll, die vielen Elektronikgeräte, die noch mit Micro-USB- oder anderen Buchsen laden, zu vereinheitlichen. Doch unter den Smartphoneherstellern betrifft das Gesetz fast ausschließlich den Konzern Apple, der der EU mit Lightning-Steckern für seine iPhones jahrelang auf der Nase herumgetanzt war, während die Smartphones aller anderen Hersteller längst via USB-C laden. Apple hatte immer wieder argumentiert, das einheitliche Ladekabel behindere Innovation, ohne aber zu erklären, welche Innovation den teuren iPads Pro mit USB-C gegenüber den günstigen iPads oder den iPhones mit Lightning fehlt.
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Auch moderne Kameras, Tablets und Kopfhörer laden in der Mehrzahl bereits per USB-C-Buchse. Einsparpotenzial bei anderen Elektrogeräten wie Rasierern, Haarschneidern und Zahnbürsten, die meist mit proprietären Steckern ausgestattet sind, lässt die EU dagegen liegen – sie sind von der Pflicht zur einheitlichen Buchse ausgenommen. Auch deswegen werde das EU-Vorhaben auf das Ziel, Elektroschrott zu vermeiden, "kaum einzahlen", moniert Bitkom-Chef Bernhard Rohleder. Die EU-Kommission hält dem entgegen, die Regelung könne nach ihren Schätzungen knapp 1000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr einsparen. Gegenüber dem insgesamt anfallenden Elektroschrott ist das ein verschwindend geringer Wert: Nach Zahlen des Umweltbundesamts sind allein in Deutschland 2019 fast 1 Million Tonnen Elektroschrott angefallen.



An anderer Stelle läuft die Politik der Industrie einmal mehr hinterher – beim Drahtlosladen. "Die Hersteller sind längst schon viel weiter als die Politik: Induktives, kabelloses Laden auf Basis des herstellerübergreifenden Qi-Standards setzt sich immer weiter durch", stellt Bitkom-Chef Rohleder fest. Doch so ganz stimmt das nicht. Denn vor allem proprietäre Ladelösungen entwickeln die Hersteller weiter. Mit 50 Watt und mehr lassen sich manche Smartphones laden, aber nur auf der passenden Ladeschale. Das herstellerübergreifende Qi-Protokoll verharrt seit Jahren bei 15 Watt. "Hier hätte ich mir mehr Tempo gewünscht", sagt Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im europäischen Parlament (siehe Interviewkasten). Bis die EU sich auf einen Drahtlosstandard geeinigt hat und dieser für die Hersteller verpflichtend wird, dürfte es noch einige Jahre dauern und noch eine Menge unnötiger Elektroschrott anfallen.
Verordnungsentwürfe der EU, Stellungnahmen

Verordnungsentwurf: Nachhaltige Gestaltung von Mobiltelefonen und Tablets
Verordnungsentwurf: Energielabel für Smartphones und Tablets
Stellungnahme: ECOS (co-signed by EEB, iFixit, Coolproducts and Right to Repair)
Stellungnahme: DigitalEurope
Stellungnahme: Runder Tisch Reparatur
Stellungnahme: ZVEI

Smartphones und Tablets im Ökodesign

Bedeutend früher, nämlich Mitte 2024, könnten sogenannte Ökodesign-Regeln in Kraft treten, mit denen die EU die Nutzungsdauer von Smartphones und Tablets verlängern will. Demnach müssen Hersteller von Smartphones und Tablets künftig zahlreiche neue Vorschriften einhalten, wenn sie ihre Geräte in der EU verkaufen wollen. Die EU-Kommission plant ein Energielabel, wie man es zum Beispiel von Kühlschränken kennt, sowie eine Updatepflicht und diverse Mindestanforderungen an Reparierbarkeit und Robustheit. Das geht aus zwei Verordnungsentwürfen hervor, die die Europäische Kommission Ende August veröffentlicht hat. Geht es nach der Kommission, sind in Zukunft alle physischen Produkte auf dem EU-Markt während ihres gesamten Lebenszyklus umweltfreundlicher, kreislauffähiger und energieeffizienter. Das gilt vom Entwurf über den täglichen Gebrauch bis hin zur Entsorgung.
Die Pläne der EU

Im Detail plant die Kommission für Smartphones und Tablets unter anderem folgende Anforderungen:

Hersteller von Smartphones und Tablets müssen fünf Jahre lang Sicherheitsupdates und drei Jahre lang Funktionsupdates liefern. Die Frist beginnt jeweils nach Auslieferung der letzten Geräte eines Modells an den Handel und nicht – wie Hersteller gerne rechnen, wenn sie Angaben zu kommenden Updates für ein Smartphone oder Tablet machen – bereits ab Marktstart.

Hersteller müssen künftig fünf Jahre lang Ersatzteile für Smartphones und sechs Jahre lang für Tablets an Reparaturbetriebe liefern, dazu gehören unter anderem Akkus, Kameras, Konnektoren und Rückabdeckungen. Ersatzdisplays müssen auch für Endkunden verfügbar sein. Allerdings hat die EU keinerlei Untersuchungen angestellt, in welchen Mengen Hersteller die Ersatzteile vorrätig halten müssen. Gut möglich also, dass Hersteller anfangs Ersatzteile auf Halde produzieren, die dann gar nicht benötigt und ihrerseits zu Elektroschrott werden.

Hersteller müssen Reparaturanleitungen mindestens sieben Jahre nach Inverkehrbringen eines Geräts verfügbar halten und Reparaturbetrieben zugänglich machen. Hersteller dürfen die Reparaturbetriebe in "angemessener" Höhe zur Kasse bitten. Smartphones müssen in einem standardisierten Test (IEC 60068-2-31) 100 Stürze aus einem Meter Höhe ohne Defekt überstehen und gegen Spritzwasser geschützt sein.

Akkus von Smartphones und Tablets müssen austauschbar sein oder alternativ nach 500 Ladezyklen noch mindestens 83 Prozent und nach 1000 Ladezyklen mindestens 80 Prozent ihrer Kapazität aufweisen. Smartphones, deren Akku sich nicht austauschen lässt, müssen zudem staubdicht sein und 30 Minuten in einem Meter Tiefe im Süßwasser überstehen.

Hersteller müssen bis mindestens 15 Jahre nach Inverkehrbringen Demontageanleitungen auf einer kostenlos zugänglichen Website bereithalten, um das Recycling zu vereinfachen.

Energieeffizienzlabel

Außerdem soll ein Energielabel die Umwelteigenschaften eines Smartphones oder Tablets auf einen Blick anzeigen. Die EU verpflichtet Hersteller, die nötigen Informationen für das Energielabel zu erfassen und an Händler weiterzugeben. Die große Skala zeigt, wie effizient die Geräte mit Energie umgehen. Dazu müssen die Hersteller die Akkulaufzeit mit einem speziellen EU-Benchmark ermitteln und das Ergebnis durch die Akkukapazität teilen.

Eine Robustheitsskala soll verraten, wie viele Stürze aus einem Meter Höhe das Gerät im Labor ohne Defekt übersteht, wobei "A" für mehr als 300 Stürze steht, "E" für weniger als 50. Ein Reparierbarkeitswert fasst zusammen, wie viele Arbeitsschritte für den Austausch bestimmter Komponenten nötig sind.
Das von der EU-Kommission geplante Energielabel zeigt auf einen Blick Informationen über Akkulaufzeit, Robustheit und Reparierbarkeit eines Smartphones oder Tablets., EU-Kommission

Zustimmung, aber …

Grundsätzlich loben sowohl Industrieverbände als auch Umwelt- und Verbraucherverbände die Pläne der EU, wenngleich sie niemand bejubelt. Die Ökodesign-Verordnung könne ein Wendepunkt sein, um nachhaltige Produkte zur Norm zu machen, befinden der Umweltschutzverband ECOS und der Bundesverband der Verbraucherzentralen VZBV (alle im Folgenden zitierten Eingaben finden Sie in der Stellungnahme).

Allerdings mahnt der VZBV, die EU müsse Tempo machen. "Mit der bisherigen Regulierung allein nach Produktgruppen wird das nicht funktionieren. Ohne Vorgaben, die gleichzeitig für mehrere Produktgruppen gelten, bleibt das EU-Ökodesign eine Schnecke, die sich langsam durch eine erhebliche Anzahl von Produktgruppen arbeitet. Allerdings ohne jemals ans Ziel zu kommen, da immer neue Produktgruppen hinzukommen werden", urteilen die Verbraucherschützer.

Gegen diese horizontalen Vorgaben wehrt sich die Industrie. Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI begrüßt, dass die EU-Kommission die Ökodesign-Anforderungen weiterhin produktspezifisch festlegen will. Das Prinzip werde "durch die große Erweiterung des Anwendungsbereiches noch wichtiger". Die Fraunhofer-Wissenschaftler Erik Poppe und Eduard Wagner schreiben in der c’t-Schwesterzeitschrift iX, mit den neuen Produktaspekten habe die EU-Kommission eine ambitionierte Wunschliste vorgelegt, die jedoch noch weiterer Regulierung und Standardisierung bedürfe, sie fordern spezifische Anforderungen für einzelne Produktgruppen.
Reparierbarkeit und Ersatzteile

Die EU-weiten Ökodesign-Vorgaben sollen nach Vorstellung des VZBV zusätzlichen nationalen Initiativen nicht den Garaus machen. Das EU-Modell für die Reparierbarkeitsskala ginge nicht zuletzt auf nationale Vorbilder wie den französischen Reparaturindex zurück. Daher fordern die Verbraucherschützer eine Experimentierklausel, "um zukunftsweisende nationale Regulierungen in einem einheitlichen Binnenmarkt weiterhin zu ermöglichen". Anders sieht das der ZVEI: "National unterschiedliche Anforderungen an Produkte oder deren Informationen und Kennzeichnungen erhöhen den Aufwand für die Industrie deutlich."

Der Umweltverband European Environmental Bureau kritisiert, dass die Einhaltung von Menschenrechten in der Wertschöpfungskette nicht in die Bewertung eines Smartphones einfließe. Auch dass die Preise für Ersatzteile nicht für die Einstufung der Reparierbarkeit auf dem Energielabel berücksichtigt würden, kritisiert der Verband.

Einig sind sich dagegen Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Industrievertreter, dass die EU genügend Ressourcen bereitstellen müsse, um die Einhaltung der Verordnungen zu überprüfen, damit für alle Marktteilnehmer die gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschen.
Ausblick

Die Pläne der EU stellen das Geschäftsmodell einiger Smartphone-Hersteller auf den Kopf. Jahrelange Versorgung mit Updates und Ersatzteilen ist nicht kostenlos, das trifft vor allem die Hersteller günstiger Smartphones. Hinzu kommt, dass sie weniger Geräte verkaufen können, wenn diese länger halten. Es ist also damit zu rechnen, dass Handys und Tablets teurer werden, wenn die EU-Pläne Realität werden. Ob und inwieweit, dazu halten sich die Industrievertreter derzeit bedeckt.

Für Verbraucher können sich die höheren Preise rechnen, wenn die Geräte länger halten. Das größte Potenzial haben die Ökodesign-Richtlinien mit Blick auf den Umwelt- und Ressourcenschutz – dann nämlich, wenn sie so wirken, wie sich die EU das vorstellt, und sie dazu beitragen, dass künftig beträchtlich weniger Smartphones als 1,4 Milliarden im Jahr über die Ladentheke gehen.

(rbr)
Autor: Predatorfighter | Donnerstag 01. 12. 2022 0 Kommentare


USB-C-Zwang der EU: Apple hat diverse Optionen für kommende iPhones
Allgemein Nach dem EU-Beschluss, USB-C bei Smartphones vorzuschreiben, wird für künftige iPhones eine solche Buchse erwartet. Apple könnte aber ein Schlupfloch nutzen.



Kürzlich hat die EU beschlossen, dass unter anderem alle in ihrem Zuständigkeitsbereich verkauften Smartphones ab 2024 mit einer USB-C-Buchse ausgestattet sein müssen und herstellerspezifische Schnittstellen wie Apples Lightning nicht mehr zulässig sind. In einem Interview mit dem Wall Street Journal äußerte sich Apples Marketing-Manager Greg Joswiak denn auch erwartbar, Apple habe gar keine andere Wahl, als dem Gesetz Folge zu leisten.

Diese Aussage kann so verstanden werden, dass Apple seine iPhones in künftigen Iterationen von Lightning auf USB-C umstellen wird. Das wäre naheliegend, denn seit Kurzem hat ja sogar das günstigste iPad den Wechsel vollzogen. Und MacBooks haben USB-C ohnehin seit vielen Jahren.

Man muss aber ebenso zur Kenntnis nehmen, dass Joswiak nicht explizit "wir statten das nächste iPhone mit USB-C aus" gesagt hat. Das kann mit Apples penibler Geheimhaltungsrichtlinie zusammenhängen, vor einem Produktstart keine Infos über neue Geräte zu verraten. Obendrauf wäre es wenig geschickt, jetzt schon ein (sicherlich nicht unwichtiges) Feature eines künftigen iPhones zu verraten, wenn gerade erst der Vorgänger iPhone 14 gestartet ist – oder wegen Bestandsschutzes (das "iPhone 15" kommt schon Ende 2023, also vor Inkrafttreten des USB-C-Zwangs) sogar Vorvorgänger eines ersten USB-C-iPhones.
Gedankenspiele

Dennoch lässt die Aussage auch zwei andere Möglichkeiten zu. So könnte Apple seine iPhones anno 2024 gänzlich aus Europa zurückziehen. Das würde das Gesetz ebenfalls erfüllen, ist zugegebenermaßen angesichts der bisherigen Verkaufszahlen und der Größe des Binnenmarkts aber extrem unwahrscheinlich. Unter dieser Entscheidung würden schließlich auch andere Geschäftsbereiche massiv leiden: Man kann keine Apple Watch ohne iPhone nutzen, und die AirPods-Verkaufszahlen würden zumindest stark einbrechen. Von Diensten wie Apples Fitnesskursen ganz zu schweigen.

Apple hat aber auch noch ein Schlupfloch als Option: Die EU-Direktive spezifiziert die betroffenen Geräteklassen konkret als

Tragbare Mobiltelefone, Tablets, Digitalkameras, Kopfhörer, Headsets, tragbare Videospielkonsolen und tragbare Lautsprecher, soweit sie über eine kabelgebundene Ladefunktion aufladbar sind.

Dieser Nachsatz ist entscheidend. Für rein drahtlos ladbare Geräte gibt es keinerlei Vorgaben – und spielt Apple dem Vernehmen nach nicht schon seit Jony-Ive-Zeiten mit dem Gedanken, iPhones komplett ohne Schnittstellen zu bauen?
Let's go wireless...

Alle technischen Möglichkeiten, so eine Entscheidung nicht zwangsläufig global, sondern eventuell auch nur regional umzusetzen, hat Apple längst in den letzten Jahren angewandt. So hat die Apple Watch in einer den beiden Vertiefungen, die die wechselbaren Armbänder aufnehmen, einen Diagnose-Port, den man als Kunde nicht nutzen kann. Für EU-iPhones könnte Apple also die Lightning-Buchse schlicht als Diagnose-Port definieren und ihre Funktion per Firmware abklemmen.

Firmware-Beschränkungen, um lokalen Gesetzen Folge zu leisten, sind für Apple (und allen anderen global aktiven Hersteller) keineswegs Neuland und betreffen nicht nur Aspekte wie zulässige WLAN- oder Mobilfunkbänder. So können iPhone-Nutzer aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kein FaceTime nutzen. Und in Japan kann man beim Bilderknipsen das akustische Auslösegeräusch der Kamera-App nicht abschalten – ja, so ein Gesetz musste dort eingeführt werden, um die Unsitte zu unterbinden, Frauen heimlich unter den Rock zu fotografieren.

Hinsichtlich Design wie Spritzwasserschutz wäre es natürlich sinnvoller, die Buchse dann gleich ganz wegzulassen. Wie das mit minimalem Entwicklungsaufwand funktionieren könnte, zeigt just das iPhone 14: US-Modelle nutzen die gleiche Platine wie iPhones für andere Märkte, aber der SIM-Kartenschacht wird nicht bestückt – weil in den USA nur noch eSIM vorgesehen ist. Die Gehäuse sind entsprechend modifiziert, gar keine Aussparung für einen SIM-Einschub mehr zu haben. Zur Fehlerdiagnose könnte Apple auf MagSafe wechseln: Über die Apple-spezifische Schnittstelle zum drahtlosen Laden ist schließlich auch ein (mindestens rudimentärer) Datenaustausch möglich.

Dennoch: Ein iPhone mit USB-C ist sicherlich die wahrscheinlichste Möglichkeit. Apple hat Lightning mit dem iPhone 5 eingeführt, weil es damals noch keinen verdrehsicheren USB-Anschluss gab (USB-C wurde erst etwa zwei Jahre später spezifiziert), sondern nur friemeliges Micro-USB. Doch seitdem USB-C einen Siegeszug angetreten hat und viele (auch verwirrende!) Neuerungen bekam, hat sich an Lightning seit dem Debüt wenig getan. Datenübertragungen etwa finden immer noch mit USB-2.0-Geschwindigkeit statt. Auch in technischer Hinsicht brächte der Wechsel also etwas für Apple wie Nutzer.
Apple- vs. EU-Sicht

Die von Joswiak im Interview genannte und von Apple präferierte Idee, lieber nur die Ladegeräte zu spezifizieren, aber herstellerspezifische Kabel zuzulassen, ist hinsichtlich Nachhaltigkeit nicht von der Hand zu weisen: Wurde das Kabel zu oft gebogen oder hat die Katze dran genagt, muss man nur dieses ersetzen, aber nicht das Netzteil an sich.

Nur: Diese Option würde anderen Herstellern ebenfalls die Türe öffnen, eigene Buchsen zu entwerfen – und das ist genau der Punkt, dem die EU schon seit über zehn Jahren den Kampf angesagt hat. Und da Apple über das Mfi-Programm (Made for iPhone), das Lightning-Zubehör zertifiziert, viel Geld einnimmt, würden andere Hersteller so einen Geldfluss sicherlich ebenfalls gerne mitnehmen.
Ausblick: Heiter bis wolkig

Der nächste potenzielle Knatsch zwischen Apple und der EU wirft derweil schon seine Schatten voraus: Ab 2026 soll die USB-C-Direktive dann nämlich auch für Notebooks gelten. Moment mal: Haben die MacBooks nicht längst alle USB-C und lassen sich darüber laden? Ja – aber der Teufel steckt im Detail.

So schafft USB-C beziehungsweise der zugehörige Ladestandard USB Power Delivery derzeit nur eine Ladeleistung bis zu 100 Watt. Eine Erweiterung bis 240 Watt namens Extended Power Range (EPR) wurde bereits festgezurrt, aber bis die in der breiten Masse bei größeren und leistungsstarken Notebooks (MacBook Pro, Gaming, ...) ankommt, wird es noch etwas dauern.

Apples stärkste MacBook-Pro-Netzteile, die 140 Watt liefern, sprechen übrigens schon heute vorbildlicherweise EPR. Wo dann das Problem ist? Die 140 Watt laufen derzeit ausschließlich über die – tada! – proprietären USB-C-Kabel mit magnetischem MagSafe-Stecker am anderen Ende. Per standardisiertem USB-C-auf-USB-C-Kabel nehmen die MacBook Pro maximal 100 Watt entgegen.

Zu Apples Ehrenrettung: Womöglich gibt es derzeit noch keine Bausteine für eine Stromversorgung in Notebooks, die einerseits schon EPR sprechen, andererseits aber auch alle anderen USB-C-Funktionen (USB, DisplayPort, Thunderbolt) beherrschen. Es muss sich aber in der Zukunft zeigen, ob Apple den derzeitigen Dualismus – Laden per USB-C geht, maximale Power braucht aber proprietäres MagSafe – beibehält. Und auch, ob der EU das genügt ... (mue)
Autor: Predatorfighter | Montag 31. 10. 2022 0 Kommentare




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